Auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs wurde die europäische Idee geboren
Ausflug der Stufe 10 nach Belgien
„Liebe Mutter“, schreibt ein unbekannter deutscher Soldat im September 1917, „Du weißt nicht, was Flandern bedeutet: endloses Ertragen, Blut, Fetzen menschlicher Körper, heroischen Mut und Pflichterfüllung bis zum Tod“. Der unbekannte Soldat ist einer von mehr als einer halben Million Soldaten, die aus den Flandernschlachten bei Ypern nicht heimkehrten – darunter Briten, Australier, Neuseeländer, Südafrikaner, Kanadier, Iren, Belgier und Franzosen und Deutsche.
Am 27. September 2024 machte sich die gesamte Stufe 10 auf den Weg nach Ypern, um sich mit den Geschehnissen des Ersten Weltkrieges auseinanderzusetzen. Der Erste Weltkrieg gilt als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Über zehn Millionen Soldaten fielen in diesem Krieg, ganze Landschaften wurden verwüstet und die Überlebenden – ob Soldaten oder Zivilisten – erlitten schweres körperliches und seelisches Leid. Die Stadt Ypern war besonders vom Kriegsgeschehen betroffen. Rund um die Stadt fanden mehrere verheerende Schlachten mit über 500.000 Gefallenen aus aller Welt statt. Menschen aus 130 Nationen waren an den Kämpfen beteiligt.
In Ypern machten wir einen Rundgang durch das Weltkriegsmuseum In Flanders Fields. Anschließend erkundeten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen die Stadt in Form einer Stadtrallye. Zum Abschluss besuchten wir den weltweit größten britischen Militärfriedhof Tyne Cot Cemetery auf den ehemaligen Schlachtfeldern vor den Toren der Stadt. Auf dem Friedhof hielten Freiwillige aus allen 10. Klassen Vorträge über die Entstehungsgeschichte des Friedhofs und das Grauen der Flandernschlachten, die rund um den Friedhof tobten. Noch heute sind die Spuren des Krieges in und um Ypern unübersehbar.
Ziel unseres Ausflugs war es, mehr über den Ersten Weltkrieg - der uns in Deutschland erinnerungskulturell nur wenig präsent ist - zu erfahren. Wir setzten uns mit den Ursachen, dem Kriegsgeschehen und den Folgen des Krieges auseinander und wir zogen Schlüsse für die Gegenwart. Die Erinnerung an den Krieg bietet eine wichtige Lektion für das heutige Europa: Sie zeigt, wohin ungezügelter Nationalismus, die Vorstellung der Überlegenheit des eigenen Landes und eine Außenpolitik, die nicht auf der Stärke des Rechts, sondern auf dem Faustrecht des Stärkeren basiert, geführt hat. Wir als Europaschule fühlen uns der Idee der Europäischen Union als Gegenreaktion zum aggressiven Nationalismus von damals besonders verpflichtet. Zwischenstaatliche Kooperation und Zusammenhalt sowie der Schutz kleinerer Staaten vor dem Zugriff größerer Länder sind Eckpfeiler unserer Union. In einer Zeit, in der wieder versucht wird, Grenzen gewaltsam zu verschieben und ein Krieg auf europäischem Boden tobt, der in seiner Art der Austragung sehr an die Schlachten in Ypern erinnert, ist das Einstehen für die europäische Sache wichtiger denn je.
04.11.2024